Heute, am 31. März 2015 stürmt es mal wieder draußen. Gerade sind die ersten Sportboote im Hafen Dorum-Neufeld und schon geht es wieder mal los. Es blässt mit 8 bis 9 Windstärken aus Süd-West. Das Wasser im Hafenbecken schwabbelt schon über die Kante obwohl gerade Niedrigwasser war, doch eine wirkliche Gefahr stellt der Wasserstand nicht dar, denn wir sitzen warm & bequem hinterm Deich.
Das war schon maches mal bei heftigen Sturmfluten anders. Z.b. am Anfang des 19. Jahrhunderts kam es zur 14. bekannten Sturmflut im Lande Wursten und somit auch in Padingbüttel. Ok. wenn wir ganz ehrlich sind müssen wir hier vier Sturmfluten für Padingbüttel wieder abziehen, denn diese fanden vor 1365 – der ersten urkundlichen Erwähnung von Padingbüttel – statt. Es war also die wohl zehnte, sehr schwere Sturmflut für unser Dorf. Und auch, wenn Sturmfluten die in die Geschichte eingehen meisst wirklich miese und unbeschreiblich schrecklige Dinge sind, so waren die Ereignisse am 3./4. Februar 1825 schon etwas poitiv besonderes in der bisherigen Geschichte der Sturmfluten.
Nehmen wir 1570, die Allerheiligenflut oder die immer wieder erwähnte Weihnachtsflut von 1717. Beides Sturmfluten, die an der ganzen Nordeeküste wüteten und auch Padingbüttel und Umgebung schwer trafen. Es gab 1000e Tote, Landverlusst und extrem schwere Folgen obwohl das Wasser, wenn man den Aufzeichnungen Glauben schenken darf, vielleicht gar nicht so hoch auflief, wie damals 1825.
Bis zum 18. Jahrhundert kümmerten sich alleine die Deichanwohner um den Deichbau und deren Erhaltung. Nach der schweren Flut von 1717 festigte sich hingegen die Notwendigkeit der übergreifenden Deichsicherung in den Köpfen und es wurde sich systematisch um die Deiche gekümmert. Wenn das Land um diese Zeit sicherlich auch viele andere Themen als den Deichbau zu bewältigen hatte: Wüteten Anfang des 19. Jahrhundert die Streitigkeiten mit Frankreich und war kurz vor der Sturmflut 1825 sicherlich genug mit der politischen organisation des Königreichs Hannover zu tun. Und die Bauern hier und da, waren sicherlich mit dem Bestellen der Felder genug ausgelastet. Man beachte, 1824 war zB das Jahr in dem der erste Postkasten in Preussen aufgestellt wurde – da hatte man tatsächlich andere Sorgen als wir heute und doch haben sie es geschafft sich um den Deichbau zu kümmern, wenn auch sicherlich die kurzen Jahren vor der grossen Flut nicht der Gewissenheit, wie es die Jahre nach der Flut 1717 voran ging. Trotzdem hielten die Deiche besser als die Jahrhunderte zuvor oder waren erst jetzt vorhanden, was die Anzahl der Opfer drastisch reduzierte. Es waren nämlich nur noch 100e, die zu beklagen waren und das finde ich schon mal was besonderes. Wenn natürlich auch jedes einzelne Opfer zu viel ist – eine Reduktion um 90%! Das soll erstmal jemand mit Bemühungen in anderen Gefährdungsbereichen von Menschen schaffen. Aber zurück zu damals:
1823 schuf Heinrich Heine seine „Nordseebilder“ und erkannte mit seinen damalig 26 Jahren endlich die Lyrische Schönheit unserer Gegend (auch, wenn der Kerl damals in Cuxhaven abgestiegen ist und nicht in Padingbüttel – kann ich ihm heute noch nicht verzeihen ;). Ein gutes Jahr später war im Herbst 1824 vorerst Schluss mit schöner und zaghafter Lyrik im Lande Wursten und die Herbsstürme begannen und fegten in diesem Jahr besonders langanhaltend über Deich und Felder. Die Deiche waren somit schon vor der besagten Flut im Februar 1825 aufs hefftigste erprobt und gestresst. Von den vielen Rattenlöchern, insbesondere im südlichen Teil des Land Wurstener Deiches mal ganz abgesehen und so war es an der Tagesordnung, dass der Deich kontrolliert und ausgebessert werden musste um den Fluten einhalt zu bieten.
Ohne große Verschnaufpause seit dem Herbst waren die Wurster Bürger sicherlich schon reichlich erschöpft als es im Februar dann richtig zur Sache ging. Die Wellen schlugen mancher Orts so hoch über den Deich, das an ein Ausbessern zur Hochwasserzeit nicht zu denken war und Kappstürze zur Tagesordnung gehörten. Die Hausansammlung nahe des Deiches traf es dabei freilich am schlimmsten und in Cappeln schlugen die Wellen tatsächlich so hoch und weit, dass ganze Wasserschwaden in den Schornsteinen der Häuser landeten! Man stelle sich das mal vor: Da wütet der Sturm und teilweise noch Gewitter dazu und du versuchst die Kinder und die Frau durch den Kamin warm zu halten und dann dringt nicht nur Regenwasser durch den Kamin ein, sondern auch Salzwasser!
Kein Deich – kein Land – kein Leben.
Man kann es sich kaum vorstellen, was inbesondere junge Väter diese Nacht durchgemacht haben, kämpften sie doch gegen eine Naturmacht, die sich aller Orten gleichzeitig so übermächtig darstellte und dies auch mit gewalltiger Kraft untermauerte. Wussten diese Väter doch genau: Wenn sie diesen Kampf verlieren, verlieren sie auch Frau und Kind. So ging es sicherlich auch dem Vater August Icken oder von Helena Wilhemina Hussmann, die beide erst kurz zuvor geboren wurden.
Kein Wunder, sondern der Deich und die fleissigen Hände der Väter und Mütter rund um diese Zeit retten die kleinen Wesen das Leben – und auch, wenn manch Einer nicht durch kam – schaffte es z.B. die am 21. Mai 1824 geborene Helena unter anderem in dieser widrigen Zeit gross zu werden. Trotz den Kappstürzen, dem beschädigten Deich kam Padingbüttel ziemlich glimpflich davon. Das Wasser stand hinterm Deich nur bis zu den Knöcheln und verzog sich schon einige Tage später wieder in den Boden. Was muss es den Menschen an Kraft gekostet haben sich dieser Tage alleine nur fortzubewegen: Die Füße tief in der Marsch und Wasser bis zu den Knöcheln! Und dabei noch versuchen den Deich zu befestigen oder Vieh in Sicherheit zu bringen.
Als ob die Flut nicht schon genug war, schlug in der Nacht auf den 4. Februar der Blitz in die Kirche von Padingbüttel ein und liess den Turm licherloh brennen.
Insgesamt fielen die Schäden gegenüber den vorherigen Sturmfluten der Jahrhunderte wie schon beschrieben geringer aus, was insgesamt auf alle Landstriche immer noch bedeutete, dass ca 45.000 Stück Vieh verloren gingen und ca 30.000 Hektar Land überschwemmt wurden.
Die erwähnte Helena überstand die Zeit übrigens sehr gut. Sie heiratete später den Christoph Friedrich Boerner, wanderte für ihn nach Amerika aus und sorgte dort für sechs weitere Nachkommen des besagten Herren. Auch wenn ihr die Sturmflut von 1825 in padingbüttel nichts anhaben konnte, wurde sie leider nur 34 Jahre alt. Wer sich für die Nachfahren von Helena interessirt, findet weitere Infos auf der Webseite ihres Ur-Ur-Enkels: Steven R Cook.
zusätzliche Quellen:
Bericht im Heimatblatt der Männer vom Morgenstern über die Sturmflut von 1825: Heimatblatt der MvM März 2015 (link direkt zum PDF auf m-v-m.de)
Das Buch „Beschreibung der Sturmfluthen an den Ufern von W.Müller“: Komplett als PDF in der Biliothek von google (Link direkt zum PDF auf google.com)
Hochwasserschutzbericht des Landes Bremen, 2003: Kompletter Bericht als PDF. Auf der letzten Seite gibt es eine zeitliche Übersicht aller dokumentierten Sturmfluten. (Link direkt zu umwelt.bremen.de)
Geschichte vom Land Hadeln und Wursten auf enhancedwiki.altervista.org.
Wikipediartikel über die Februarflut.
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